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Lenalidomid


Lenalidomid


Lenalidomid (Handelsname: Revlimid, Hersteller: Celgene) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Immunmodulatoren. Es ist strukturell mit dem Thalidomid und Pomalidomid verwandt und wird wie diese zur Behandlung des multiplen Myeloms, der myelodysplastischen Syndrome (MDS), des Mantelzelllymphoms und des follikulären Lymphoms eingesetzt. Die Besonderheit des Moleküls ist die Analogie zu dem Contergan-Wirkstoff Thalidomid, welcher für tausende Fehlbildungen an ungeborenen Kindern in den 1950ern verantwortlich war. Lenalidomid wurde vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur als Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan-Arzneimittel) ausgewiesen und als solches im Gemeinschaftsregister der Europäischen Union eingetragen.

Lenalidomid wird eingesetzt in der Behandlung von erwachsenen Patienten mit unbehandeltem multiplem Myelom, die nicht transplantierbar sind.

Lenalidomid ist in den USA, der Europäischen Union, der Schweiz, in Argentinien und Kanada für eine Kombinationstherapie mit Dexamethason bei Patienten mit einem multiplen Myelom zugelassen, die bereits eine Standardtherapie erhalten haben. Darüber hinaus ist Lenalidomid in Verbindung mit Dexamethason in Australien zur Behandlung von Patienten mit multiplem Myelom zugelassen, deren Krankheit sich nach einer Therapie verschlimmerte.

Im New England Journal of Medicine (NEJM) wurden im Mai 2012 die Ergebnisse dreier Phase-III-Studien zu Lenalidomid an Probanden mit neu diagnostiziertem multiplen Myelom veröffentlicht.

Im Jahr 2019 haben Piechotta et al. eine Cochrane-Übersichtsarbeit durchgeführt, um zu evaluieren, inwieweit Lenalidomid zur Behandlung des multiplen Myeloms mit anderen Medikamenten verglichen werden kann. Dies wurde mit der alleinigen Therapie mit Melphalan und Prednison verglichen. Es ergaben sich die folgenden Ergebnisse: Lenalidomid plus Dexamethason und die fortlaufende Gabe von Bortezomib plus Lenalidomid plus Dexamethason verursachen wahrscheinlich eine Erhöhung des Gesamtüberlebens. Lenalidomid plus Dexamethason und die fortlaufende Gabe von Bortezomib plus Lenalidomid plus Dexamethason verursachen vielleicht eine starke Verlängerung des progressionsfreien Überlebens. Die Gabe von Lenalidomid plus Dexamethason verursacht eventuell eine Verringerung von Polyneuropathien. Die andere Kombination wurde hier nicht evaluiert. Lenalidomid plus Dexamethason und die fortlaufende Gabe von Bortezomib plus Lenalidomid plus Dexamethason verursachen eine ausgeprägte Erhöhung des Abbruchs der Studie seitens der Patienten wegen unerwünschten Ereignissen.

Lenalidomid ist indiziert für die Behandlung von Patienten mit transfusionsabhängiger Anämie infolge myelodysplastischer Syndrome mit Niedrig- oder Intermediär-1-Risiko in Verbindung mit einer isolierten Deletion 5q als zytogenetische Anomalie, wenn andere Behandlungsoptionen nicht ausreichend oder nicht angemessen sind.

In verschiedenen Studien wird zurzeit überprüft, inwieweit Lenalidomid zur Erhaltungstherapie bzw. Therapie der Chronisch Lymphatischen Leukämie (CLL) eingesetzt werden kann. Die ORIGIN-Studie (geplante Laufzeit bis 2018) für die Prüfung von Sicherheit und Wirksamkeit von Lenalidomid als Erstlinientherapie der CLL wurde aufgrund einer erhöhten Sterblichkeitsrate von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) abgebrochen. Die FDA fordert deswegen auch Ärzte dazu auf, Lenalidomid nicht im Off-Label-Use bei CLL zu verschreiben.

Eine in der Literatur beschriebene mehrstufige Synthese von Lenalidomid beginnt mit der Bromierung von Methyl-2-methyl-3-nitrobenzoat mit N-Bromsuccinimid (NBS) in Anwesenheit von Azobis(isobutyronitril) (AIBN), welches die radikalischen Bromierung initiiert. Die Reaktion ist in einem halogenfreien Lösungsmittel möglich; es wurde Methylacetat verwendet. Es entsteht das Zwischenprodukt Methyl-2-brommethyl-3-nitrobenzoat, eine kristalline gelbe Substanz. Diese wird im nächsten Schritt mit 3-Aminopiperidin-2,6-dion-Hydrochlorid in Gegenwart von Kaliumcarbonat (K2CO3) über eine nukleophile Substitution und anschließender Additions-Eliminierungssequenz zu (R,S)-3-(4-Nitro-1-oxo-1,3-dihydro-2H-isoindol-2-yl)-piperidin-2,6-dion umgesetzt, einem Nitro-Precursor des Lenalidomids. Der letzte Schritt, die Hydrierung, erfolgt – platinfrei – unter Zugabe von Eisenpulver und Ammoniumchlorid bei 80 °C. Nach Waschen und Umkristallisieren erhält man das reine Lenalidomid in Form leicht gelblicher Kristalle.

Lenalidomid gehört wie auch Thalidomid und Pomalidomid zu einer Gruppe peroral bioverfügbarer immunmodulierender Substanzen (engl. immunmodulatory drugs), die das Pharmaunternehmen Celgene unter der Marke IMiDs eingetragen hat. Seine Wirkung beruht auf verschiedenen Mechanismen:

  • Hemmung der Proliferation bestimmter hämatopoetischer Tumorzellen
  • Hemmung der Produktion entzündungsfördernder (proinflammatorischer) Zytokine, insbesondere TNF-α und Interleukin-6 und Interleukin-12
  • Antiangiogenese (Verhinderung oder Minderung der Gefäßneubildung)
  • Stimulation von T-Zellen und natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) und in der Folge Verbesserung der durch diese Zellen vermittelte Immunität gegen Tumorzellen
  • Erhöhung der natürlichen Killer-T-Zellen (NKT-Zellen)
  • Steigerung der Blutbildung (Erythropoese)

Den Hauptwirkmechanismus bildet die Ubiquitinierung, durch die ein Großteil der weiteren Wirkweise eingeleitet wird.

Lenalidomid wirkt sich im menschlichen Körper auf unterschiedlichste Weisen aus. Es beeinflusst zum einen die bösartigen Tumorzellen direkt, indem es das Wachstum der Myelomzellen hemmt.

Zum anderen verstärkt das IMiD die Immunantwort und erwirkt eine Veränderung des Knochenmarks, welches beim multiplen Myelom eine zentrale Rolle spielt. Außerdem treten bei der Einnahme auch negative Effekte auf die Angiogenese der Tumorzellen auf.

Die antitumoralen Eigenschaften Lenalidomids lassen sich vordergründig auf die Degradation der beiden Transkriptionsfaktoren Ikaros (IKZF1) und Aiolos (IKZF3) zurückführen.

Der Immunmodulator bindet über die Dicarboximidgruppe in der Bindetasche des Targetmoleküls Cereblon (CRBN), welches den Substrat-Rezeptor der CRL4 CRBN E3-Ubiquitin-Ligase darstellt.

Der E3-Ubiquitin-Ligase-Komplex ist für die posttranslationale Modifikation der Ubiquitinierung zuständig, durch die hohe Substratspezifität Lenalidomids können die beiden Zinkfingerproteine IKZF1 und IKZF3 nun an dem Komplex binden und entsprechend markiert werden.

Die krankheitsspezifischen Proteine werden vom Proteasom erkannt und abgebaut.

Durch den Wegfall der als Repressor dienenden Transkriptionsfaktoren für Interleukin-2, steigt entsprechend die Produktion desselben.

Durch den Wirkstoff Lenalidomid wird der Zellzyklus der Tumorzellen zwischen der G0- und der G1-Phase gestoppt. Zudem regt das Molekül verstärkt die Produktion des CDK-Inhibitor 1 an, welcher die Cyclin-abhängige Kinasen, die die Mitose der Tumorzellen einleiten, hemmt. Die Zellteilung und das Wachstum der Tumorzellen wird auf Grund dieser beiden Vorgänge verhindert.

Des Weiteren findet die Apoptose der Tumorzellen durch insgesamt drei Faktoren vermehrt statt. Als erstes ist die von Lenalidomid getriggerte Caspase-8-Aktivierung zu nennen. Dabei gilt die Caspase-8 als ein Vermittler für die Apoptose. Zudem wird die Sensibilität gegenüber der Fas-induzierten Apoptose gesteigert. Durch die Ligandenbindung an die Fas-Rezeptoren, die sich an der Oberfläche der Tumorzellen befinden, wird dann der programmierte Zelltod eingeleitet. Zuletzt verringert sich die Menge an NF-κB, dies fungiert als ein anti-apoptosisches Protein.

Auf Grund der im Folgenden beschriebenen immunmodeliernden Wirkung, zählt Lenalidomid, genauso wie Thalidomid und Pomalidomid, zu den Immunmodulatoren (IMiDs). Diese Wirkung wird vor allem durch die Regulation der Zytokine bestimmt. Zytokine dienen im Immunsystem als Botenstoffe zwischen den verschiedenen Immunzellen. Auf der einen Seite wird die Produktion der proinflammatorischen Zytokine wie TNF-α, IL-1, IL-6 und IL-12 gehemmt, auf der anderen Seite wird gleichzeitig die Produktion des antiinflammatorischen Zytokines IL-10 gesteigert. Infolge dieser Regulationen wird die Apoptose der Myelomzellen befördert und die Apoptose der gutartigen Zellen (wie beispielsweise den Monozyten) gehemmt. Lenalidomid stimuliert außerdem die CD3 T-Zellen, was zu einer Th1-Zytokin-Antwort führt. Das heißt, dass IFNγ und IL-2 in größeren Mengen sekretiert werden. Daraus folgt die Stimulation der Proliferation von T-Zellen, natürlichen Killerzellen und natürlichen Killer T-Zellen. Dies wiederum resultiert in der Eliminierung der Tumorzellen durch die natürlichen Killerzellen und den natürlichen Killer T-Zellen und zu einer verbesserten Immunität gegen Tumoren.

Die Einnahme von Lenalidomid wirkt sich negativ auf die Angiogenese aus. Dies geschieht über die Hemmung der angiogenetischen Faktoren wie VEGF und BFGF, welche von den Tumorzellen freigesetzt werden. Es folgt daraus, dass das Wachstum der Tumoren gestoppt wird. Des Weiteren hemmt der Wirkstoff Zelladhäsionsmolekule, wie zum Beispiel ICAM-1, wodurch der Zusammenhalt des Gewebes gestärkt wird. Demzufolge kann die Metastasierung und weitere Invasion der Tumoren eingedämmt werden.

Bei der Anwendung von Lenalidomid müssen wichtige Aspekte beachtet werden. Weil Lenalidomid vermutlich auch beim Menschen fruchtschädigend wirkt, gehört ein Schwangerschaftsverhütungsprogramm für gebärfähige Frauen und deren Partner dazu. Eine mögliche Myelosuppression macht die wöchentlichen Blutbildkontrollen in den ersten acht Behandlungswochen erforderlich. Weiterhin zu beachten sind das erhöhte Risiko venöser Thromboembolien mit dem möglichen Einsatz einer antithrombotischen Prophylaxe und die Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz. In Deutschland ist die Abgabe lenalidomidhaltiger Arzneimittel durch den § 3a Arzneimittelverschreibungsverordnung reguliert und unterliegt der amtlichen Überwachung, deshalb muss der Arzt für die Verordnung das so genannte T-Rezept verwenden. Der Arzt muss versichern, die Sicherheitsmaßnahmen gemäß der aktuellen Fachinformation einzuhalten, insbesondere auch, erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchzuführen. Ferner muss er auf der Verschreibung vermerken, ob die Behandlung innerhalb oder außerhalb (Off-Label-Use) der jeweils zugelassenen Anwendungsgebiete erfolgt.

Im Dezember 2012 verschickte der Hersteller Celgene eine Mitteilung an Angehörige der Heilberufe (Rote-Hand-Brief) zum Risiko des Auftretens von Lebererkrankungen in Zusammenhang mit der Anwendung von Lenalidomid bei Vorliegen von anderen Risikofaktoren.

Alle drei Moleküle liegen mit einer leicht unterschiedlichen räumlichen Ausrichtung mit der Dicarboximid-Gruppe in der Bindetasche des CRBN. Dies ist auf die strukturellen Unterschiede zurückzuführen, welche in verschiedenen Wechselwirkungen mit den Aminosäuren des CRBN resultieren. Thalidomid setzt sich aus einem Pthaloyl-Ring und einem Glutarimid-Ring zusammen. Die Gemeinsamkeit der Analoga besteht darin, dass auch Pomalidomid und Lenalidomid aus einem Glutarimid-Ring bestehen. Bei genauerer Betrachtung des Pthaloyl-Rings fällt auf, dass Lenalidomid und Pomalidomid am C5-Atom zusätzlich eine Aminogruppe besitzen. Jedoch fehlt dem Lenalidomid eine Oxogruppe am C3-Atom, weshalb man von einem 1-Oxoisoindolin mit Aminogruppe spricht, anstatt eines Pthaloyl-Rings.

Im Vergleich weist der parentale Wirkstoff Thalidomid bei Einnahme verstärkte Nebenwirkungen auf, wobei eine geringere Effektivität auftritt als bei den Zweit-Generationswirkstoffen Lenalidomid und Pomalidomid. Dies ist auf die strukturellen Unterschiede zurückzuführen.

Bei allen drei Wirkstoffen können zudem sekundäre Malignome auftreten, wie eine US-amerikanische Studie von 2005 bis 2009 zeigte (hier nur auf Lenalidomid bezogen).

Lenalidomid, sowie die beiden Analoga Thalidomid und Pomalidomid, weisen eine starke fruchtschädigende Wirkung auf. Daher ist es besonders wichtig, dass empfängnisverhütende Maßnahmen vonseiten der Patienten vorzuweisen sind.

Die deutsche Arzneimittelverschreibungsordnung wurde aus diesen Gründen geändert, sodass für Lenalidomid (und Analoga) das sogenannte „T-Rezept“ greift. Dies ist ein besonderes Rezeptformular, welches unter anderem personengebunden ist und eine Gültigkeitsdauer von nur sechs Tagen hat. Darüber hinaus sind gebärfähige Frauen verpflichtet während der Einnahme, sowie bereits vier Wochen vor Einnahmebeginn, zuverlässig zu verhüten. Alle vier Wochen muss zudem ein negativer Schwangerschaftstest dokumentiert werden. Auch bei Männern werden Samenspenden untersagt und die Nutzung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr nahegelegt, um etwaige Fehlbildungen in der Schwangerschaft zu unterbinden.

Ursache für die Teratogenität ist die Wirkweise der Immunmodulatoren, anstelle der krankheitsspezifischen Proteine, kann Sall4, ein wichtiger Transkriptionsfaktor, der für das Wachstum und die Ausbildung der Extremitäten zuständig ist, über den Phthalimidring des ImiDs an den E3-Ubiquitin-Ligase-Komplex binden. Dies führt dann wiederum zur Ubiquitinierung des Substrats und der entsprechenden Degradation desselben.

Fällt Sall4 weg, kommt es zu Fehlbildungen am ungeborenen Leben, wie das Fehlen (Aplasien) oder Verkürzungen (Dysmelien) von Händen und Füßen, des Verdauungstrakts, der Genitalien sowie beispielsweise der Ohrmuscheln etc. Dieses Phänomen ist die Ursache des Contergan-Skandals gewesen, da die teratogene Wirkung erst später erkannt wurde und in der Zwischenzeit das Präparat besonders schwangeren Frauen als Schlafmittel verkauft wurde. Bereits eine einmalige Einnahme im ersten Trimester der Schwangerschaft, kann zu den oben genannten Missbildungen führen.

Verantwortlich dafür ist vermutlich nur die (S)-Form des racemischen Gemischs, da sich jedoch beide Formen im Körper jeweils ineinander umwandeln, sodass nach einiger Zeit wieder ein Racemat vorliegt, ist die Gabe des reinen (R)-Enantiomers keine Lösung.

Die (S)-Form gilt als die pharmakologisch aktivere, während das (R)-Enantiomer eine sedierende Wirkung besitzt, dies ist auf die unterschiedlichen räumlichen Ausrichtungen zurückzuführen, welche in verschiedene Wechselwirkungen resultieren.

Zum „Contergan-Skandal“ bis 1961 konnte es vor allem durch das damals lockerere Arzneimittelrecht kommen. Dass die teratogene Wirkung Thalidomids nicht vor Zulassung entdeckt wurde, hatte den Grund, dass „die hepatischen Biotransformationen der verwendeten Tierarten keine fruchtschädigenden Metabolite hervorbrachten“ bzw. die „jeweiligen Zielstrukturen fehlten“, da damals noch unbekannt war, dass es speziestypische Metaboliten gibt.

Als häufigste Nebenwirkungen werden Abnahme der weißen Blutkörperchen (Neutropenie), der Blutplättchen (Thrombozytopenie) und der roten Blutkörperchen (Anämie), Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Übelkeit, Verstopfung, Durchfall, Muskelkrämpfe, Schwellungen in Armen und Beinen und Hautausschlag beobachtet.

Lenalidomid ist chiral und kann daher in den optisch aktiven enantiomeren Formen (S)-(−) und (R)-(+) vorliegen, pharmazeutisch verwendet wird das Racemat [1:1-Gemisch von (S)-(−)-Form und (R)-(+)-Form]. Lenalidomid ist in 0,1 N Salzsäure gut löslich.

Revlimid (EU, CH, USA) und Generika


Text submitted to CC-BY-SA license. Source: Lenalidomid by Wikipedia (Historical)