Jörg Christian Fauser (* 16. Juli 1944 in Bad Schwalbach, Taunus; † 17. Juli 1987 in München) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist.
Seine Eltern waren der Künstler Arthur Fauser und die Schauspielerin Maria Razum. Noch in seiner Schulzeit veröffentlichte Fauser zwischen 1959 und 1960 erste journalistische Beiträge in der Frankfurter Neuen Presse. 1963 begann seine Mitarbeit als Rezensent für die Frankfurter Hefte. Am 23. Juni 1964 wurde er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt.
Nach dem Abitur am Lessing-Gymnasium in Frankfurt am Main 1965 begann Fauser an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main ein Studium der Fächer Ethnologie und Anglistik. Das Studium brach er 1966 jedoch ab.
Während des Ersatzdienstes im Bethanien-Krankenhaus Heidelberg wurde Fauser abhängig von Heroin. Er unterbrach den Ersatzdienst und hielt sich Anfang 1967 für sechs Wochen in Istanbul auf. Im Herbst 1967 setzte er sich vom Ersatzdienst ins Istanbuler Drogenviertel Tophane ab. Im Herbst 1968 kehrte Fauser nach Frankfurt zurück und ging dann nach West-Berlin.
Um 1971 hatte er Kontakt zur Hausbesetzerszene im Frankfurter Westend, u. a. zur Gruppe von Joschka Fischer. Zur 68er-Bewegung, deren Akteure meist aus Fausers Generation stammten, hielt er eine kritische Distanz, was sich auch in seinen Werken zeigt.
In Frankfurt schaffte er 1971/72 den Entzug vom Heroin.
Von 1968 bis 1974 lebte Fauser abwechselnd in West-Berlin, Frankfurt und Göttingen; schließlich zog er dauerhaft nach München. Fauser arbeitete für verschiedene literarische Publikationen, unter anderem bei den Alternativzeitschriften Gasolin 23, Ufo und Ulcus Molle Info. Über seine Reisen, die ihn u. a. 1975 nach Marokko und 1976 in die USA führten, berichtete er in Reportagen für die Basler Nationalzeitung. In den 1970er Jahren veröffentlichte er mehrere Gedichtbände und begann die Zusammenarbeit als Texter mit dem Rockmusiker Achim Reichel. Großen Erfolg hatten Fauser und Reichel mit der Single Der Spieler aus dem Konzeptalbum Blues in Blond, durch die ein Fauser-Text sogar in die ZDF-Hitparade gelangte.
In den 1980er-Jahren zog Fauser erneut nach West-Berlin, verfasste drei erfolgreiche Romane und war als Journalist für das Berliner Stadtmagazin tip und die Zeitschriften Lui sowie TransAtlantik tätig. Am 9. Juli 1985 heirateten er und Gabriele Oßwald. Das Ehepaar zog erneut nach München.
Fauser starb am 17. Juli 1987, als er gegen 4:10 Uhr auf der A 94 zwischen den Münchner Stadtteilen Zamdorf und Riem in Fahrtrichtung Anschlussstelle Feldkirchen als Fußgänger von einem Lkw erfasst wurde. Er hatte zuvor die Feier zu seinem 43. Geburtstag verlassen und offenbar stark alkoholisiert versucht, die Fahrbahn zu überqueren. Weitere Umstände blieben ungeklärt. Anlässlich seiner Rede zum Ingeborg-Bachmann-Preis am 3. Juli 2013 äußerte Michael Köhlmeier die Vermutung, dass Fausers Tod kein Unfall gewesen sei, sondern mit dessen Recherchen über Verbindungen zwischen dem Drogenmilieu und der deutschen Politik zu tun gehabt habe.
Fauser war in seinen frühen Jahren ein Underground-Autor, der stark von der amerikanischen Beat-Literatur beeinflusst war und in seinen Texten eigene Drogenerfahrungen verarbeitete. Unter dem Einfluss der amerikanischen Hard-boiled-Autoren Dashiell Hammett und Raymond Chandler wandelten sich in den 1980er Jahren zwar seine Sujets, die in der zeitgenössischen Literaturkritik oft vorgenommene Etikettierung Fausers als Autor von Kriminalromanen aus der bundesrepublikanischen Wirklichkeit wird seinem literarischen Gewicht jedoch keineswegs gerecht.
Exemplarisch für das Fauser von der etablierten Literaturkritik oft entgegengebrachte Unverständnis war die vernichtende Beurteilung durch Marcel Reich-Ranicki beim Lesewettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis von 1984. Michael Köhlmeier griff in seiner Rede zum Ingeborg-Bachmann-Preis 2013 die damaligen Juroren, namentlich Reich-Ranicki, Walter Jens, Gertrud Fussenegger und Peter Härtling scharf an. Ihre Kritik habe nicht Fausers Werk, sondern seiner Person gegolten. Fauser sei damals der deutschen Literaturkritik in ihrer „hinterhältigsten und erbärmlichsten Gestalt“ begegnet: Fauser sei, egal was er geschrieben habe, stets verrissen worden und daher tief verletzt gewesen.
Heute gilt Fauser im Kreis der Underground-Literatur als der große Wegbereiter des Genres in Deutschland. Benjamin von Stuckrad-Barre, der als Oberstufenschüler alle Bücher von Fauser las, hat seinen Büchern Soloalbum, Panikherz und Remix 3 jeweils ein Zitat von Fauser vorangestellt.
1988: Friedrich-Glauser-Preis anlässlich der Criminale (postum).
1971: Aqualunge. Ein Report. Udo Breger, Göttingen
1972: Tophane. Maro, Gersthofen
Neuauflage 2011: Tophane. Illustriert von Robert Schalinski. Moloko print, Schönebeck
1973: Die Harry Gelb Story. Maro, Gersthofen
1977: Open end. Fünf Gedichte. King Kong Press, München
1978: Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Monika Nüchtern, München
Neuauflage 2020: Marlon Brando. Der versilberte Rebell. Eine Biographie. Mit einem Nachwort von Franz Dobler und einem Text von Brigitte Kronauer. Diogenes, Zürich
1978: Der Strand der Städte. Eduard Jakobsohn, Berlin
1979: Alles wird gut. Rogner & Bernhard, München
1979: Requiem für einen Goldfisch. Nachtmaschine, Basel
1979: Trotzki, Goethe und das Glück. Rogner & Bernhard, München
1981: Der Schneemann. Rogner & Bernhard, München
1982: Mann und Maus. Rogner & Bernhard, München
1984: Blues für Blondinen. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin/Wien
1984: Rohstoff. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin/Wien
1985: Das Schlangenmaul. Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin/Wien
Neuauflage 2019 mit einem Nachwort von Friedrich Ani. Diogenes, Zürich
1987: Kant. Heyne, München
1992: Blues in Blond. Songs und Balladen. Gemeinsam mit Achim Reichel und Elfi Küster. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg
1993: Ich habe eine Mordswut. Briefe an die Eltern 1957–1987. Paria, Frankfurt am Main
2003: Lese-Stoff. Von Joseph Roth bis Eric Ambler. Neue Kritik, Frankfurt am Main
2020: Alles muss ganz anders werden. Erzählungen 1975 – 79. Diogenes, Zürich
Jörg-Fauser-Edition in acht Bänden, einem Beiheft und Ergänzungsband bei Rogner & Bernhard, Hamburg:
1990: Band 1. Romane I
1990: Band 2. Romane II
1990: Band 3. Erzählungen I
1990: Band 4. Erzählungen II
1990: Band 5. Gedichte
1990: Band 6. Essays, Reportagen, Kolumnen I
1990: Band 7. Essays, Reportagen, Kolumnen II
1990: Band 8. Marlon-Brando-Biographie
1990: Beiheft. Informationen und Bilder
1994: Ergänzungsband. Das leise lächelnde Nein und andere Texte
Neue Edition der Werke Jörg Fausers beim Alexander Verlag Berlin, herausgegeben von Alexander Wewerka:
2004: Band I. Marlon-Brando. Der versilberte Rebell. Biographischer Essay. Nachwort von Michael Althen und Gespräch mit Verlegerin Monika Nüchtern
2004: Band II. Rohstoff. Roman. Nachwort von Benjamin von Stuckrad-Barre und Gespräch mit Lektorin Hanna Siehr
2004: Band III. Der Schneemann. Roman. Nachwort von Feridun Zaimoglu und Gespräch mit Verleger Thomas Landshoff
2005: Band IV. Trotzki, Goethe und das Glück. Gesammelte Gedichte und Songtexte. Nachwort von Franz Dobler und Gesprächen mit den Musikern Achim Reichel und Veronika Fischer
2005: Band V. Alles wird gut. Gesammelte Erzählungen 1. Vorwort von Helmut Krausser und Nachwort von Jürgen Ploog
2006: Band VI. Mann und Maus. Gesammelte Erzählungen 2. Anstelle eines Nachworts: Der Tequila kommt heute gut. Eine Zechtour mit Jörg Fauser von Martin Compart
2006: Band VII. Das Schlangenmaul. Roman. Nachwort von Martin Compart
2009: Band VIII. Der Strand der Städte. Gesammelte journalistische Arbeiten 1959–1987. Essays, Reportagen, Kolumnen. Vorwort von Matthias Penzel
2007: Band IX. Die Tournee. Romanfragment
Edition der Werke Jörg Fausers in Einzelausgaben ohne Bandnumerierung beim Diogenes Verlag Zürich, herausgegeben von Matthias Penzel:
2019: Ich habe große Städte gesehen. Die Gedichte.
2019: Caliban Berlin. Kolumnen 1980–84.
2019: Rohstoff. Roman
2019: Rohstoff Elements.
2019: Das Schlangenmaul. Roman.
2020: Der Schneemann. Roman
2020: Der Klub, in dem wir alle spielen. Über den Zustand der Literatur.
2020: Marlon Brando, der versilberte Rebell. Eine Biographie.
2020: Alles muss ganz anders werden. Erzählungen 1975–79.
2021: Das Weiße im Auge. Erzählungen 1980–87.
2021: Kant. Erzählung.
2021: Carl Weissner. Eine Freundschaft in Briefen 1971–87.
2022: Man hängt halt so an dem, was man hat. Briefe an die Eltern.
2022: Die Tournee. Roman aus dem Nachlass.
Man hängt halt so an dem, was man hat : Briefe an die Eltern : mit Faksimiles von Briefen und Postkarten, zusammengestellt, herausgegeben und mit einem Vorwort von Peter Graf sowie einem Nachwort von Ronja von Rönne, Zürich : Diogenes, 2023, ISBN 978-3-257-07163-4
John Howlett: James Dean. Monika Nüchtern, München 1977
The Rolling Stones. Songbook. 155 Songs [1963–1977] mit Noten. Deutsch von Teja Schwaner, Jörg Fauser und Carl Weissner. Mit 75 Alternativübersetzungen von Helmut Salzinger. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1977
Joan Baez: Tagesanbruch. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1978
James Taylor: Songbook. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1978
1976: C’est la vie Rrose – Ein Junggesellenspiel. Regie: Hans-Christof Stenzel, Drehbuch: Jörg Fauser (mit Y Sa Lo)
1984: Der Schneemann. Regie: Peter F. Bringmann (mit Marius Müller-Westernhagen und Polly Eltes)
1998: Das Frankfurter Kreuz. Regie: Romuald Karmakar (mit Michael Degen und Manfred Zapatka)
2006: Rohstoff – Der Schriftsteller Jörg Fauser. Dokumentarfilm. Regie: Christoph Rüter
1974: Café Nirvana. Regie: Hein Bruehl, WDR
1974: Die von der Reservebank oder Wenn wir drankommen, ist das Spiel hoffentlich verloren (zusammen mit Broder Boyksen), Regie: Carl Weissner, SR
1977: Der Tod der Nilpferde. Regie: Peter Michel Ladiges, SR
1978: Für eine Mark und acht. Regie: Hermann Treusch, HR
1979: Romanze. Regie: Werner Klippert, SR
2010: Der Schneemann. Regie: Leonhard Koppelmann, SWR
1980: Ungeschminkt. LP von Achim Reichel, drei Texte von Fauser
1981: Blues in Blond. LP von Achim Reichel, alle Texte von Fauser
1983: Nachtexpress. LP von Achim Reichel, sechs Texte von Fauser
1984: Sehnsucht nach Wärme. LP von Veronika Fischer, ein Text von Fauser
1987: Eine Ewigkeit unterwegs. LP von Achim Reichel, sieben Texte von Fauser
1987: Spiegelbilder. LP von Veronika Fischer, ein Text von Fauser
1989: Veronika Fischer. LP von Veronika Fischer, drei Texte von Fauser
1997: Fauser O-Ton. Doppel-CD mit vornehmlich von Fauser gelesenen Texten, Hrsg.: Christian Lyra
2004: Rohstoff. 2-CD-Audiobook, gelesen von Benjamin von Stuckrad-Barre
2005: Cut City Blues. Franz Dobler liest Gedichte von Fauser
2005: Fausertracks. Mash-up mit Fausers Stimme zu Musik von lebenDigital
2007: Der Schneemann. 6-CD-Audiobook, gelesen von Heikko Deutschmann
Matthias Penzel, Ambros Waibel: Rebell im Cola-Hinterland. Biografie. Berlin 2004, ISBN 3-89320-076-2.
Sascha Seiler: Bornheim Blues. Jörg Fauser - Ein Essay. Meine 2024, ISBN 978-3-910335-09-7.
Michael Meller: Biografie Jörg Fauser. (archivierte Version)
Michael Meller: Bibliografie Jörg Fauser. (archivierte Version)
Literatur von und über Jörg Fauser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Werke von und über Jörg Fauser in der Deutschen Digitalen Bibliothek
Jörg Fauser bei IMDb
osswald&osswald media: Webseite Jörg Fauser.
Matthias Penzel: „Es ist wie im Rausch...“ J.F. – sein Leben und Werk, Tod und Nachwirken. (2005; PDF-Datei; 228 kB)
Peter Apfl: Die Legende vom Heiligen Jörg. (Memento vom 23. Juli 2012 im Internet Archive)
Tiemo Rink: Fausers Nächte. (Der Tagesspiegel.)
Maciej Jedrzejewski: Ein Gespräch über Jörg Fauser mit Ambros Waibel am 29. Dezember 2009 (zuletzt aufgerufen am 25. September 2016)
Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin (Memento vom 11. Oktober 2013 im Internet Archive) (Ulrich Goerdten)
Klagenfurter Rede Michael Köhlmeiers, Jörg Fauser gewidmet
Jörg Fauser Die Tournee – Zeit.de 2007 („Die Wahrheit liegt auf der Straße“)
Fauser, Jörg. Hessische Biografie. (Stand: 27. November 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Fauser, Jörg im Frankfurter Personenlexikon
Matthias Penzel: Jörg Christian Fauser, in: NDB-online.
Jörg Fauser im Autor-Skooter im Gespräch mit Hellmuth Karasek (1984) auf youtube.com